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Es geht auch anders - 5 Impulse aus Neuseeland

Sarah Maria Böhmer • Juni 30, 2023

Lesen Sie hier, wie es Neuseeland gelingt, den Menschen einen Zugang zu Nachhaltigkeit zu eröffnen, der keine Blockade hervorruft und zum Mitwirken aktiviert.

Die Entscheidung, ob Menschen sich auf ein neues, nachhaltigeres Verhalten einlassen - ja sich überhaupt damit befassen wollen - ist unter anderem abhängig davon, ob sie es als Angriff gegen ihr bisheriges Handeln wahrnehmen. Als Vorwurf, wie sie sich bisher nur so falsch verhalten konnten. Oder, ob sie es als neue Erkenntnis begreifen und annehmen.

 

Nach meiner Zeit in Neuseeland habe ich mir die Frage gestellt, warum ich dort stets das Gefühl hatte, Nachhaltigkeit ist überall präsent, allerdings auf eine gewinnende statt auf eine autoritäre Art und Weise. Wie gelingt das?

 

Folgende fünf Aspekte konnte ich dabei ausmachen.

 

1. Ein Tenor der Erkenntnis
In Neuseeland wird überall beeindruckend offen darüber gesprochen, welche Schäden Menschen nach ihrer Ankunft auf den beiden Inseln angerichtet haben (Abholzung, Ausrottung der Moas, Einschleppen invasiver Tier- und Pflanzenarten).
Allerdings im Ton der Erkenntnis, dass die Lösung von gestern eben häufig zum Problem von morgen wird. Es wird zu keiner Zeit Gedankenlosigkeit oder mutwillige Zerstörung unterstellt. Es entsteht zu keiner Zeit das Gefühl von Verurteilung oder Belehrung.

Neuseelands Bildungssystem gehört bekanntlich zu den besten der Welt. Ich kann an dieser Stelle nur vermuten, dass hier ein gewisser Zusammenhang besteht.


Ein ergänzender Gedanke meinerseits: Eine solche Haltung - die Lösungen von heute werden zu Problemen von morgen werden, weil wir die Welt nie in der notwendigen Vollständigkeit verstehen werden, die für die perfekte Lösung notwendig wäre - führt auch weg vom schwarz-weiß Denken, was neue Ansätze betrifft.

 


2. Ein sichtbares, Sehnsucht und Stolz weckendes Zielbild
Statt sich mit Verurteilung und Belehrung aufzuhalten, wird sichtbar gemacht, was verloren ging - die Schönheit und Einzigartigkeit der Tier- & Pflanzenwelt. Da Neuseeland sehr früh vom Festland getrennt wurde, haben sich dort Pflanzen und Tiere individuell und oft einzigartig entwickelt. Dieser ursprüngliche Zustand wird sehr häufig visuell dargestellt und auch dem aktuellen Zustand gegenübergestellt.
Es wird gezeigt, wie fantastisch es wäre, die Ursprünglichkeit wieder zurückzubringen. Das entfacht Sehnsucht und einen gewissen Stolz auf diese Einzigartigkeit, was ein fantastischer Motor dafür ist, selbst einen Beitrag leisten zu wollen.

Und es führt dazu, dass die Menschen sich nicht mit dem Erhalt des Verbliebenen zufriedengeben, sondern die Regeneration Richtung Naturzustand das erklärte Ziel innerhalb unterschiedlichster Naturschutzgebieten ist – verbessern statt erhalten.


Für Geografie-Interessierte: Zealandia war einst der 8. Kontinent.

 


3. Die Ansprache des individuellen Verantwortungsgefühl statt Verbote
Dieses Ziel bedeutet allerdings nicht den Menschen aus der Natur auszusperren. Im Gegenteil - und das ist entscheiden.

Neuseelands Weg ist es, mit der Erkenntnis bzgl. der Folgen des früheren Verhaltens zu starten, den Verlust sowie das Sehnsucht weckende Zielbild greifbar zu machen und dann allerdings auch klare Aussagen zu treffen, was verändert werden kann und schon verändert wurde.

Zu diesen Aussagen gehören insbesondere auch kleine "Nebenbei-Maßnahmen", die jede:r Einheimische und Tourist:in ergreifen kann. Und so ziehen Wanderer beispielsweise Triebe, der invasiven nordamerikanischen Pinie aus dem Boden, sodass sie sich nicht weiter verbreitet. Eine kleine Geste, mit vermeintlich kleiner Wirkung und doch ein Keim des Ansporns noch mehr zu tun. Denn man erlebt, dass das Mitwirken - ganz ohne Verbote - selbstverständlich jeder und jedem zugetraut wird. Und zwar duch den oberhalb beschriebene Dreiklang (Erkenntnis teilen, Zielbild sichtbar machen, Maßnahmen aufzeigen). Das individuelle Verantwortungsgefühl, das als selbstverständlich vorhanden angesehen und angesprochen wird, wirkt oft stärker als die empfundene Bevormundung durch Verbote oder ähnliches.

 


4. Das eigene Erleben des Schützenswerten statt reine Rationalität
Die visuelle Darstellung eines gewünschten Zustands ist dann noch wirksamer, wenn es teilweise bereits erlebt werden kann.

Ist man einmal 200 Meter über das Blätterdach des Regenwalds entlang einer Zipline geflogen und hat diesen beeindruckenden Anblick genossen, kann man sich nur schwer damit abfinden, dass er zerstört werden könnte. Unsere Einsatzbereitschaft ist so viel größer für diejenigen Belange, mit denen wir emotionale Erfahrungen, kostbare Momente verbinden. Diese Erfahrungen zu fördern, heißt die Verbundenheit bspw. zur Natur zu fördern, um darüber das Bewahren bzw. Regenieren zum eigenen Anliegen werden zu lassen.

Noch wirkungsvoller ist das direkte Verbinden von Erfahrung und Handlung. Wie im Beispiel der Wanderer, die den Schutz der heimischen Pflanzen unterstützen noch während sie von ihr begeistert werden und sie genießen. 

 


5. Präsenz im Alltag statt Informationen im Museum

Auch was die soziale Komponente der Nachhaltigkeit angeht, nahm ich eine Besonderheit in Neuseeland wahr. Die Kultur der Maori hat nicht nur einen Platz in Neuseeland, sie ist integraler Bestandteil des Alltags. Nicht zuletzt, weil entschieden wurde, im öffentlichen Raum grundsätzlich immer zuerst Maori-Worte und danach die Englischen Begriffe zu nutzen, sei es bei Städtenamen oder der Beschilderung in öffentlichen Einrichtungen (beispielweise den Weg zur Information oder den Toiletten). Maori sind darüber hinaus selbstverständlich in den Medien vertreten, beispielsweise durch Nachrichtensprecher:innen. Und der traditionelle (Kriegs-)Tanz "Haka" ist fester Bestandteil vor jedem Rugby-Spiel der All Blacks (Nationalmannschaft der Männer) und Black Ferns (Nationalmannschaft der Frauen). Dabei werden diese Traditionen immer geachtet, geehrt und absolut ernstgenommen. So haben sich die Teams sie sich nicht einfach ausgedacht, sie wurden ihnen geschenkt und sie "performen den Haka mit Präzision und Intensität".

Wie in allem gibt es dabei nicht den einen richtigen Weg. Wenn Sie sich dazu austauschen möchten, sind Sie herzlich eingeladen, mir direkt zu schreiben.

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